Die klassische
japanische Ästhetik ist im Wesentlichen ein Kind des
japanischen Mittelalters. Das japanische Mittelalter war eine
Zeit großer sozialer Umbrüche und erstreckte sich
von 1185 bis 1603. Ihm ging die Heian-Periode voran (794-1185),
dem Mittelalter folgt die Edo-Zeit. Das japanische Mittelalter
wird gewöhnlich in die drei Perioden der Kamakura-, Muromachi-
und der Momoyama-Zeit unterteilt. Die Heian-Zeit begann damit,
dass der Kaiserhof in das heutige Kyoto verlagert wurde. Es
war die klassische Periode der japanischen Literatur, die
besonders von Hofdamen gepflegt wurde, hier entstand z. B.
das berühmte Buch Genji-Monogatari, ein Roman über
die Erlebnisse des Prinzen Genji. Während der Heian-Zeit
nahm der Machteinfluss des Kaiserhofes langsam ab. Für
den ästhetischen Zusammenhang ist von Bedeutung, dass
zu dieser Zeit der Amida- und der esoterische Buddhismus vorherrschte.
Die Kunst um diese Zeit war von diesen buddhistischen Schulen
beeinflusst und die Hofaristokratie pflegte eine besondere
Verfeinerung und hohe Eleganz, die diese kulturelle Epoche
kennzeichneten. Dies äußerte sich u. a. in prunkvollen
Gewändern und in Paradiesgärten, die von der Vorstellung
des Amida-Buddhismus über ein im Westen liegendes reines
Land (Paradies) geprägt wurde. Während der Heian-Zeit
besetzte die Fujiwara-Familie immer mehr Ämter mit ihren
Verwandten und dadurch nahm ihr politischer Einfluss stetig
zu. Deshalb verringerte sich die Macht des Kaiserhofes, bis
er nur noch ästhetische Vergnügen und das Zeremonial-
und Ritualwesen pflegte. Aber auch ihr Einfluss ging verloren.
Am Ende der Heian Zeit kämpften die Familien Minamoto
und Taira um die Macht, mit dem Sieg des Minamoto Clans über
die Taira.
Das japanische Mittelalter begann Ende des 12. Jahrhunderts,
mit der Übernahme der Macht durch die Samurai und der
Errichtung des ersten Shogunats durch Minamoto-no-Yoritomo,
der in Kamakura die neue Hauptstadt der Militärregierung
errichtete.

Der erste
Shogun Minamoto no Yoritomo
(Foto: Aus wikimedia commons);
Maler: Nakamura Fusetsu (1866-1943)
Mit dem
Aufstieg der Samurai als neue Herrscherklasse kam es auch
zu einer Verschiebung in der Bedeutung der buddhistischen
Schulen. Der Einfluss des Zen-Buddhismus nahm stark zu und
wurde prägend für das Mittelalter. In der Kunst
wurden Einfachheit, Strenge und Kargheit, was sich z. B. in
den Zen-Gärten zeigte, angestrebt. Die Künstler
mussten nun nicht nur die Hofadligen, sondern auch den Klerus
und die Soldaten bedienen, hierdurch kam es zu einer weiten
Verbreitung der Künste in der Gesellschaft. In der Muromachi-Priode
wurde die Vorherrschaft des Shogunats gestürzt und die
verschiedenen Lokalfürsten stritten um die Macht. Die
ständigen Bürgerkriege führten zu einer großen
existenziellen Not. Im Einklang mit dem Zen ist nun die Unbeständigkeit
(die Vergänglichkeit) die Grundstimmung allen Seins.
War die Heian-Periode noch durch die Literatur geprägt,
waren nun u. a. Gartenkunst, Architektur, Tuschmalerei und
Kalligraphie beliebt. In der Tuschmalerei äußert
sich die zenbuddhistische Strenge z. B. in monochromen Landschaftsbildern
(Sumi-e). Die Teezeremonie erlebte eine Blütezeit und
die Kargheit des Zen äußerte sich u. a. im Teestil
der Einsiedlerhütte. Am Ende des japanischen Mittelalters
kam es durch die drei Reichseiniger (Nobunaga, Hideyoshi und
Ieyasu) zu einer lang andauernden Friedenszeit (Edo-Periode)
und Ieyasu wurde vom Kaiser zum Shogun ernannt. Der neue Regierungssitz
war Edo (das heutige Tokyo), von wo aus das Tokugawa-Shogunat
250 Jahre regieren sollte. Im Laufe der Edo-Periode verarmten
die Samurai immer mehr und die Kaufleute gewannen an Bedeutung.
Durch eine zunehmende Säkularisierung" nahm
der Einfluss des Buddhismus im ausgehenden Mittelalter, nicht
nur in der Kunst, zunehmend ab. Durch die Meiji-Restauration
(1868) kam es zu einem verstärkten Austausch mit der
westlichen Welt und der Übernahme von westlichem Gedankengut,
die eigenständige, zu einem großen Teil vom Buddhismus
geprägte, Ästhetik hatte ein vorläufiges Ende
gefunden. Anderseits erlebten die traditionellen Künste
gerade durch die kulturelle Öffnung Japans im 20. Jahrhundert
eine weltweite Verbreitung.
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