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Zen-Gärten

Der älteste japanische Text über Gärten stammt aus dem 11. Jahrhundert. Es zeigt sich, dass sowohl Buddhismus als auch der Taoismus die Gartenkunst geprägt haben. Die Gärten der Heian-Zeit entsprachen aber nicht mehr völlig dem chinesischen Vorbild, sondern waren bereits abgewandelt. Die aus dem Shinto übernommene Vorstellung, dass in Bäumen „Götter“ wohnen, führte wahrscheinlich dazu, dass bevorzugt Bäume angepflanzt wurden. Für die Heian-Zeit waren sogenannte Paradiesgärten charakteristisch. Der Amida-Buddhismus ging von einem reinen Land im Westen aus, in das die gläubigen Buddhisten nach ihrem Tod gelangen sollten. Die Paradiesgärten stellten symbolisch dieses reine Land dar. Diese Gärten bestanden aus einem See, der dem Meer entspricht und aus im See gelegenen Inseln, die für das reine Land der ewigen Seligkeit standen. Die Inseln waren wiederum mit bestimmten Bäumen bepflanzt, die einen bestimmten Symbolcharakter hatten. Der See wurde von einem Bach gespeist und war von einer weißen Kiesfläche umgeben. Diese weißen Kiesflächen zierten bereits den Kaiserpalast in Kyoto und wurden für die Gärten übernommen, wobei man durch die Ausübung von Kunst, z. B. durch Tänze, die „Götter“ auf diese Kiesflächen herabzurufen trachtete.


Reproduktion aus dem Buch von 1893: Landscape Gardening in Japan.- des silbernen Pavillons (Ginkaku-ji)mit Gartenanlagen
(aus wikimedia commons von Josiah Conder).


Die Gartengestaltung lässt sich nur aus dem Naturverständnis der Japaner verstehen. Es gab, im Gegensatz zu europäischen Gärten, kein Konfrontationsverhältnis zwischen Mensch und Natur. Der Mensch war ein integraler Bestandteil der Natur, auch gab es keine Konfrontation zwischen Geist und Materie. Ein Baum kann ein Ort sein, in dem sich die „Götter“ materialisierten und war daher heilig. Die Paradiesgärten wurden u. a. angelegt um die Schönheit der Natur zu genießen. Dabei ging es aber nicht um ein abstraktes Verständnis der Natur, sondern um das konkrete Erleben von Schönheit im Garten. Der Begriff mono-no-aware hat hier seinen Platz und meint eine gesteigerte Empfindlichkeit im Zusammenhang mit einer starken Reaktion auf die Schönheit, durch die sich eine sensible und kultivierte Person auszeichnet. Insbesondere die flüchtige Schönheit der Pflanzen im Wechsel der Jahreszeiten ist damit gemeint. Die Bedeutung der Flüchtigkeit leitet sich aus dem Buddhismus ab, nach dem alles was existiert, dem Werden und Vergehen unterworfen ist. Daher wurden bevorzugt sommergrüne Bäume eingesetzt, da sie zu den verschiedenen Jahreszeiten ein unterschiedliches Aussehen besitzen. Die Paradiesgärten waren bis in das Mittelalter beliebt, da sie besonders für den Adel eine Fluchtmöglichkeit vor den gesellschaftlichen Änderungen durch den Aufstieg der Samurai bildeten.
Die neue Herrscherklasse war dem Zen-Buddhismus zugeneigt und dieser hatte, u. a. auf den Gartenbau, aber auch auf das ganze kulturelle Leben, einen starken Einfluss. Die Gärten die nun entstanden waren Trockengärten, die aus weißen Kiesflächen, einzelnen Steinsetzungen und wenigen Pflanzen gestaltet wurden. Sie wurden im Gegensatz zu den Paradiesgärten nicht mehr betreten, sondern wie ein Bild betrachtet. Das Interesse der Zenpriester am Gartenbau hing damit zusammen, dass jede Arbeit, also auch die Gartenarbeit, eine spirituelle Übung war, daher gab es nun auch keinen Unterschied mehr zwischen der Religion und den verschiedenen Künsten. Man versuchte, indem man alles unwesentliche aussparte, die Zen-Wahrheit darzustellen, die japanisch Mu bzw. Ku genannt wird und im Deutschen unzureichend mit „Leere“ (siehe Kapitel „Theorie des Schönen“) übersetzt wird. Für diese „Leere“ standen die weißen Kiesflächen, die z. B. den Steinsetzungen erst das richtige Umfeld gaben. Die Einzelelemente des Gartens sind für sich betrachtet nichts, ihre Bedeutung ergibt sich erst im Kontext mit den anderen Elemente. Eine ästhetische Begrifflichkeit dieser Zeit drückt dies besonders aus: Yohaku-no-bi, die Schönheit des Kargen bzw. des besonders Weißen. Als wohl berühmtestes Beispiel hierfür steht der Garten Ryoan-ji in Kyoto. Er ist ein Trockengarten mit einer weißen Kiesfläche, in der einzelne Steinsetzungen platziert sind, die wiederum von Moos umgeben sind. Im Hintergrund des Gartens befinden sich verschiedene Bäume, die durch eine niedrige Mauer vom Rest des Gartens abgetrennt sind. Nach einer Interpretation von Ryosuke Ohashi wird hier ein anderes Charakteristikum der japanischen Ästhetik sichtbar: Kire – was soviel wie Abschneiden bedeutet. Die Künstlichkeit des Trockengartens wird mit Hilfe der Mauer von der Natürlichkeit der umgebenden Bäume bewusst abgeschnitten, um so die gegenseitige Bedingtheit deutlich zu machen. Naturschönes und Kunstschönes sind hier keine Gegensätze, wie in der westlichen Ästhetik, sondern können nur in Relation zueinander begriffen werden.


Ausschnitt aus dem Zen-Trockengarten des Ryoan-ji (aus wikimedia commons).
Der Garten entstand Mitte des 15. Jahrhunderts und ist heute wohl der berühmteste seiner Art.

Die Wirkung die der Garten auf den Betrachter ausübt, ist mit Worten allein nicht einzufangen. Ein anderer ästhetischer Begriff hat hier seinen Platz: Yugen, was soviel bedeutet wie geheimnisvolle Tiefe. Geheimnisvoll meint, dass die Wirkung nicht rein rational zu erklären ist und sich daher der Begrifflichkeit von Worten entzieht. Ein buddhistisches Gleichnis mag diese Vorstellung näher erläutern: Wenn Du wissen willst wie ein Apfel schmeckt, musst Du ihn essen. Auch noch so viele verbale Beschreibungen können das Geschmackserlebnis nicht vermitteln, sondern verhindern nur das konkrete Erlebnis und damit die erhellende Erkenntnis.
Eine andere ästhetische Begrifflichkeit, die im Rahmen der klassischen japanischen Ästhetik eine überragende Rolle spielt, lässt sich am Beispiel der Trockengärten gut erläutern: Wabi-sabi. Wie alle diese Begriffe werden sie unterschiedlich übersetzt, hier hat die Begrifflichkeit eine ganz konkrete Bedeutung und daher ist der Bedeutungszusammenhang im Rahmen der Gartenkunst hervorragend geeignet, diese sonst schwierigen Begriffe zu erklären. Für die Steinsetzungen werden alte Steine benutzt, frisch gebrochene Steine sind verpönt. Der Wert des Steins ergibt sich durch die Ausstrahlung von Vergänglichkeit. Der Grund hierfür ist wiederum der Buddhismus, in dem Veränderung als einzige Konstante des Seins steht. Alte Steine haben eine bestimmte Patina, die sie im Laufe der Zeit, in der sie der Verwitterung ausgesetzt sind, annehmen und das japanische Wort für Patina ist sabi. Ein Stein kann z. B. eine Gebirgspatina oder eine Meerespatina haben. Diese Steine werden, so wie in der Natur gefunden, in den Garten verbracht, wo sie dann im Laufe der Zeit eine neue Gartenpatina annehmen. Wabi meint in diesem Zusammenhang die Wertschätzung, die man gegenüber Dingen einnimmt, die sabi zeigen. Auch hier ist wiederum zu erkennen, dass der Stein nichts in sich selbst ist, sondern, dass seine Bedeutung nur in Relation zu seiner Umwelt zustande kommt. Metaphysisch gesprochen hat der Stein keine eigene Substanz, worauf die Veränderung, die konkret in der Patina zu erkennen ist, hinweist.
Im japanischen Mittelalter bildeten sich im Rahmen des Teewegs auch eigene Teegärten heraus, in der die Teehütte stand, in denen die Teezeremonie abgehalten wurde. Diese Teegärten unterschieden sich stark von den Trockengärten. Ihre Wirkung sollte möglichst natürlich sein. Da die Teehütten beim Wabi-cha (siehe Kapitel Teezeremonie), eine Eremitenklause in einer abgelegenen Gebirgsgegend darstellte, war der Teegarten eine Wiedergabe der einsamen Gebirgslandschaft im Kleinen. Der Teegarten wurde so gestaltet, dass der Besucher die laute und profane Welt hinter sich lassen konnte, um dadurch geistig gereinigt in die Teehütte einzutreten. Man schritt auf Trittsteinen die winkelig angeordnet waren, sie entsprachen dem Pfad der zur Einsiedlerhütte führte. Der Teegarten bestand aus einer Mischung von immergrünen Bäumen und Sträuchern und die Trittsteine waren von Moos umgeben. Im Teegarten selbst gab es noch Handwaschbecken oder Steinlaternen, die gebraucht von anderen Orten hierher gebracht wurden. Hierbei haben wir es ebenfalls mit der Wertschätzung von gebrauchten Dingen, Dingen denen also eine Veränderung zukommt, d. h. mit wabi-sabi, zu tun.

 


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