Die Teezeremonie,
oder besser der Teeweg, hat die klassische japanische Ästhetik
entscheidend geprägt und soll daher etwas ausführlicher
besprochen werden.
Die Sitte des Teetrinkens kam im 8. Jahrhundert von China
nach Japan. In der Folgezeit wurde sie vor allem an Klöstern
und Tempeln ausgeübt, um die Müdigkeit während
der Meditation fernzuhalten. Im japanischen Mittelalter wurde
sie von den Samurai praktiziert, die sich damit vom Adel abzuheben
suchten. Damit überführten sie den Teegenuss vom
Klerus in breite Bevölkerungsschichten. Im Laufe der
Zeit kristallisierten sich zwei Stilrichtungen heraus: Der
Teeweg im Studierzimmer und der der Einsiedlerhütte.
Der Teeweg im Studierzimmer lehnte sich an das Zimmer eines
Abtes in einem Kloster an und war vor allem in der Muromachi-Zeit
modern. M. Juko kann als Begründer der japanischen Teezeremonie
gelten. Er trat für eine einfache Teezeremonie im Sinne
des Zen ein. Dies kann als der Ausgangspunkt der Teezeremonie
im Sinne der Einsiedlerhütte gewertet werden, auf die
ich mich im Folgenden konzentrieren werde. Für ihn war
der Teeweg ein Mittel zur Vervollkommnung des Charakters.
Er führte auch rustikales Teegeschirr aus Japan, neben
dem bisher benutzen chinesischen Porzellan, ein. Außerdem
schuf er erstmals eine eigene Räumlichkeit, um die Teezeremonie
abzuhalten. Indem er die Teehäuser einfachen Einsiedlerhütten
nachempfand, kreierte er die Urform des Wabi-Tees (Wabi-Cha).
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Gemälde
von Hasegawa Tohaku, das den berühmten Tee-Meister
Sen no Rikyu (1522-1591) darstellt.
Er gilt als Vollender der wabi-Tee-Zeremonie (aus wikimedia
commons)
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Durch seinen
Schüler Joo wurde diese Teehütte im Einsiedlerstil
in die Gärten von Stadthäusern verlegt, wo sie dann
in Relation zu den prachtvollen Stadthäusern stand. Mitte
des 16. Jahrhundert wurde der Teeweg zu einer Massenbewegung,
und eigens angestellte Teemeister konnten damit ihren Lebensunterhalt
erwirtschaften. Joo formulierte das Prinzip des Hier und Jetzt
für die Teezeremonie, d. h. jede Teezeremonie wurde als
einmalig und unwiederholbar angesehen. Er verkleinerte den
Eingang zur Teehütte, der dann später zum Kriecheingang
wurde.
Als Vollender der Teezeremonie im Einsiederhütten-Stil
kann Sen no Rikyu gelten. Er verlegte die Vorbereitungsarbeiten
in einen eigenen Raum, um die Konzentration auf das Wesentliche
nicht zu stören. Im Sinne der Wabi-Ästhetik führte
er einfaches bäuerliches Geschirr ein und verbannte das
kostbare chinesische Porzellan. Der Kriecheingang wurde direkt
vom Teegarten betreten, in einer Ecke des Raums gab es die
sogenannte Tokonoma, eine Nische, in der Blumen aufgestellt
und Tuschezeichnungen
(sumi-e) präsentiert wurden. Im Boden war der Herd
zur Erwärmung des Wassers eingelassen. Die Teilnehmer
mussten, egal wie hoch ihr Rang war, ihre Waffen ablegen und
durch den Krabbeleingang die Teehütte betreten. Die Teehütte
selbst war, da im Einsiedlerstil, klein (z. B. nur 3,7 Quadratmeter
groß) und äußerst rustikal ausgeführt.
Die Wände waren mit Lehm beworfen, das Stroh blieb sichtbar.
Nichts im Westen entspricht einer Teehütte im Einsiedlerstil.
Sie ist aus natürlichen Materialien gebaut und fügt
sich daher in den Teegarten harmonisch ein. Gebäude und
Garten sind eine Gesamtkomposition. Die Teehütte (als
Gebäude) steht daher nicht, wie im Westen, in Konfrontation
mit der Natur. Ihre Schlichtheit, in der jedes überflüssige
Element entfernt wurde, ist ein ästhetischer Ausdruck
des Zen. Die Schlichtheit der Hütte entspricht der Schlichtheit
des benutzten Teegeschirrs. Es konnte durchaus Gebrauchsspuren
aufweisen. Die Gebrauchsspuren, wie z. B. Sprünge in
der Glasur oder eine Patina, entsprachen dem Sabi-Prinzip
und wurden besonders wertgeschätzt (Wabi), da dies auf
die Wahrheit des Zen (Veränderung als grundlegendes Prinzip)
hinweist. Asymmetrie ist ein weiteres Kennzeichen der Wabi-Sabi-Ästhetik.
Im spirituellen Zentrum des Raums, der Tokonoma, wurden z.
B. die Tuschzeichnungen asymmetrisch angebracht. Symmetrische
Muster wurden als Wiederholung und damit als statisch angesehen,
während die Asymmetrie den Geist des Betrachters in Bewegung
setzt, weil eine Spannung zwischen den einzelnen Elementen
erzeugt wird. Die Teezeremonie im Einsiedlerstil diente zur
geistigen Entwicklung und nicht zum gesellschaftlichen Vergnügen.
Nach der Wirklichkeitsvorstellung des Zen kann jede Tätigkeit,
also auch das Teetrinken, zur Erleuchtung führen. Durch
die Ausübung des Teewegs kommt es also zu einer Vereinigung
zwischen dem Profanen und dem Religiösen. Daher ist der
deutsche Ausdruck Teezeremonie schlecht gewählt, Tee-Weg,
als Charakterschule der ganzen Persönlichkeit, trifft
besser zu.
Teeschale
(Chawan) mit dem Namen Furisode aus dem 16-17 Jahrhundert
der Provinz Mino . Die Keramiktradition von Mino geht bis
in das 15. Jahrhundert zurück und wird bis heute ununterbrochen
fortgesetzt
(Foto aus wikimedia commons; Bildautor Daderot)
Wabi-Sabi
sind ältere Begriffe, die ursprünglich negativ konnotiert
waren, aber u. a. im Rahmen des Tee-Wegs eine positive Umdeutung
erfuhren. Sabi ursprünglich als Alter, Patina, Einsamkeit
verstanden, wird so umgedeutet, dass das Sein in seinem Werden
erlebt und damit positiv bejaht wird. Wabi als Unvollkommenheit,
Einfachheit oder Rauheit wird zur Erfahrung der Schönheit
des Einfachen umgedeutet. Wobei und das ist wichtig, es sich
hierbei nicht um bloße Begriffe, sondern um Bekundungen
von Erfahrung, z. B. durch Praktizierung des Tee-Weges, handelt.
Die Erfahrung der Schönheit des Einfachen übernahm
der Teemeister Joo von Einsiedlern, die sich von der profanen
Welt in die Einsamkeit einer Berghütte zurückgezogen
hatten und begründete hierauf den Weg des Wabi-Cha. Dieser
Tee-Weg ist ganzheitlich, Kunst, Religion und Leben bilden
eine Einheit. Sen no Rikyu war der erste Teemeister der eigens
für seinen Wabi-Cha Teegeschirr herstellen ließ.
Es war die sogenannte schwarze oder rote Raku-Keramik, die
sich durch äußerste Schlichtheit charakterisieren
lässt. Sie wird als vollkommener Ausdruck des Wabi-Cha
gesehen. Wie die Tuschzeichnung waren die Blumengestecke in
der Tokonoma asymmetrisch aufgestellt und entsprechend der
Wabi-Ästhetik waren es schlichte Blumen, die so wirkten,
als wüchsen sie in der Natur. Da die Wirklichkeitsvorstellung
des Zen auf der relationalen Beziehung aller Dinge beruht,
wurde auch bei den dargebotenen Speisen darauf geachtet, dass
sie untereinander harmonisch abgestimmt waren und dass das
Geschirr zu den jeweiligen Speisen passte.
Auch die Jahreszeiten, das Wetter, sowie die Tageszeiten wurden
in die Teezeremonie mit einbezogen, etwa durch die Wahl des
Wandgemäldes oder des Blumengestecks in der Tokonoma.
Die Rollen, die die Gäste und der Gastgeber einnahmen,
waren nicht festgelegt und ein guter Tee-Mensch beherrschte
alle Rollen (Gastgeber, Hauptgast, Nebengast). Der niedrige
Krabbeleingang, durch den sich die Gäste zwängen
mussten, macht klar, dass nicht die soziale Stellung, sondern
der Mensch im Mittelpunkt stand. Sen no Rikyu formulierte
vier Prinzipien für den Tee-Weg: Respekt der Gäste
untereinander, Reinheit, Harmonie und Stille.
In
der Folgezeit wurde der Wabi-Cha zum Daimyo-Cha weiterentwickelt,
der dann nur noch den Samurai offen stand. Dies äußerte
sich u. a. darin, dass für hochrangige Samurai ein separater
Eingang zur Verfügung stand. Bei der Teezeremonie im
Sinne von Rikyu waren die Teilnehmer untereinander noch gleichwertig
und wechselten, je nach Vorgabe, ihre Rollen.
Ich hoffe durch diese kurze Darstellung deutlich gemacht zu
haben, dass der Tee-Weg für das Verständnis der
klassischen japanischen Ästhetik eine zentrale Rolle
spielt, da er unterschiedliche Teilbereiche, wie Architektur,
Gartenkunst, Kunsthandwerk und Lebensschulung zu einer Einheit
verschmilzt. Es ist wohl überflüssig zu erwähnen,
dass die während der Ausübung der Teezeremonie gelernten
Eigenschaften auch im alltäglichen Leben gelten, d. h.
Leben und Kunst sind eins.
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