Die
Farbe töten:
Die
Zen- bzw. Wabi-sabi-Ästhetik ist charakterisiert
durch eine Reduktion des Prachtvollen und einer Hinwendung
zur Einfachheit, dies führt zu einer Dämpfung
der Farben bis hin zu einer Farbausschließung. Beobachten
kann man dies z. B. in der wabi-Teezeremonie mit zahlreichen
aufeinander abgestimmten Braun- und Grautönen beim
Teegeschirr und in der Auswahl des Baumaterials für
die Tee-Hütte, als auch besonders in der oft ganz
in Schwarz-Weiß gehaltenen Tuschmalerei sumi-e.
Diese Einstellung führt hin zur Aussage die
Farbe töten. Die schwarze Tuschelinie steht
dabei für das Leben, sie repräsentiert also
nicht etwa die Abwesenheit von Farbe, sondern steht für
alle Farben und soll beim Betrachter eine Erinnerung an
die Farben hervorrufen. Die Aussage die Farbe töten
ist keine rein theoretische Forderung, sondern ergibt
sich unmittelbar aus den meditativen Übungen, die
mit der Praxis des Zen einher gehen und die als Resultat
die Achtsamkeit und u. a. damit die Sensibilität
für Farben erhöhen.
Der Tuschestrich selbst reduziert die wahrnehmbaren Formen
auf das Wesentliche, von dem nichts mehr weggenommen werden
kann, d. h. je größer die Abstraktion auf das
Wesentliche, desto größer ist die Wirkung auf
den Betrachter.
Während der schwarze Tuschestrich für die mit
den Sinnen wahrnehmbaren Farben und Formen steht, steht
der weiße Malgrund bzw. die weiße Farbe für
das phänomenal nicht wahrnehmbare buddhistische Nichts
(mu). Was ist aber am schwierigsten zu malen? Der japanische
Maler Ike-no- Taiga (1723-1776) beantworte dies so:
Einen weißen Raum zu malen, wo nichts gezeigt wird
das ist die schwierigste Aufgabe der Malerei.
Ein poetischer Ausdruck der Bedeutung von Weiß für
die klassische japanische Ästhetik ist dem Gedicht
des Zenmeisters Dogen zu entnehmen:
In
der verschneiten Ebene,
wo alles Gras vergangen ist,
hat sich der weiße Reiher in
seine eigene Erscheinung
gehüllt.
Wendet
man das hier gesagte auf die Landschaftsfotografie an,
kann man, da nur mit dem Vorgefundenem gearbeitet wird,
durch die Auswahl von Ton-in-Ton-Farben und mithilfe von
Weiß, in Form von Nebel und Schnee, die Farben immer
mehr abtöten. Wobei sich die paradoxe Situation ergibt,
dass die verschwindende Form durch die Verringerung der
Farbdiversität gleichzeitig immer mehr an Bedeutung
gewinnt, da der Rezipient sie mental unbewusst ergänzen
muss, um einen Sinn in das Foto hinein lesen zu können.
Anders gesagt: Das Gegensatzpaar Form Nicht-Form,
das sich nach der dualistisch-reduktionisten Logik gegenseitig
ausschließt, ergibt dann einen neuen Sinn, wenn
man es relational, als Werden in gegenseitiger Abhängigkeit,
zueinander betrachtet.